Donnerstag, 24. Juli 2014

Sey'syuri way / Ein Gedicht für Sey'syu

Tsamsiyu ayawne
(Geliebte Kriegerin)
Das Lager ist leer, als ich aufwache. Obwohl Sey und Tsaro sehr weit entfernt sind, sind meine Gedanken bei ihnen. Möge Eywa sie beschützen und ihnen immer einen sicheren Weg zeigen. Es ist ein wundervoller heranbrechender Morgen. Weit entfernt höre ich das Rauschen des großen Wasserfalls, das sich mit dem Knistern, Lodern und Knacken unserers Feuers vermischt. Die feinen, über das Land hinwegziehenden Nebelschwaden vermischen sich mit den orange roten Strehlen der großen Sonne und verleihen einigen Pflanzen ein beinahe dämonenhaftes Aussehen. Obwohl ich an sich noch neue Farben für unsere Körperbemalungen herstellen wollte, verschiebe ich dies jetzt ganz spontan.


Dienstag, 22. Juli 2014

Muvea uniltaron oeyä / Meine zweite Traumjagd

Lamu lehrrapa tìsop atxan. Set lu oe tsahìk Rey'engyayä ulte layu oer lahea sìn.
(Es war eine lange und gefährliche Reise. Nun bin ich die Tsahìk der Rey'engya und werde andere Aufgaben haben.)
Heute ist er nun, der große Tag. Zum zweiten Mal in meinem Leben werde ich mich dieser gefährlichen Zeremonie hingeben, zum zweiten Mal wird das Gift des kalì'weya (giftige Spinnenart) durch meine Adern fließen und zum zweiten Mal, so hoffe ich, werde ich dann wieder geboren. Doch bevor es so weit ist, sind noch einige wichtige Dinge zu erledigen. So gehe ich schon sehr früh, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag ankündigen, in den Wald, um Kräuter für die Zeremonie zu suchen. Auch benötige ich die Wurzeln des torukspawm (Riesenpilz), die mich vor einer tödlichen Vergiftung schützen werden. Als ich ins Lager zurück komme, werde ich bereits von meiner yawntu (Liebsten) erwartet. Sie wird mir helfen, die weiße, zeremonielle Bemalung anzulegen. 


Freitag, 2. Mai 2014

Iknimaya Sey'syuyä / Sey'syus Iknimaya


Tìmetokìri Se'syuru lamu tìflä ulte Txällän ahek tätxaw - Hapxì a'awve
(Sey'syu hatte Erfolg bei ihrer Prüfung und ein merkwürdiger Dallan kehrt zurück - Teil 1)

Die letzten Tage waren geprägt von Vorbereitungen rund um Sey'syus Iknimya (Prüfung für Jäger und Krieger). Wir bauten den Ikranfänger mit ihr, Ne'wey übte mit ihr den Umgang damit, um Sey'syu an ihre eigene Waffe zu gewöhnen. Auch wir anderen hatten noch vieles zu erledigen. Wie meistens vor solchen Ereignissen, bereitete ich Pflanzen, Kräuter und Gewürze vor, machte ich Fleisch zurecht und überlegte, wie in welcher Anzahl ich die vielfältigen Speisen und Getränke vorbereiten könnte. Sey braute seinen wundervollen Beerenwein, Füllte ihn in große Krüge ab und ließ es sich nicht nehmen, diesen auch ausgiebig zu probieren. Heute ist es nun endlich so weit. Meine yawntu (Liebste) wird sich dieser Herausforderung stellen.

Mittwoch, 30. April 2014

Meresh'ti cau'pla Sey'syuyä / Sey'syus Ikranfänger [Teil 2]

Pxoel fwew pxiutit fte txivula meresh'ti cau'plati Sey'syuä - Hapxì amuve
(Wir drei suchen die Rasiermesserpalme, um Sey'syus Ikranfänger herzustellen - Teil 2)


Im Wald draußen geht es um Leben und Tod. Doch ist es nicht auch der tägliche und ewige Kreislauf?  Mir fallen für kurze Momente Gesichter ein von smuktu (Geschwistern) und eylan (Freunden), die es längst nicht mehr gibt. An ihre Stelle sind andere, ebenso loyale Freunde getreten. Ein Leben endet, während gleichzeitig irgendwo anders ein neues beginnt...  So sitzen wir in unserem Versteck, lauschen und wittern. Der Kampf wird lauter und brutaler. Den aggressiven Schreien können wir anhören, dass Blut fließen muss, sehr viel Blut. Nur einen einzigen, kurzen Blick miteinander austauschend sind Ne'wey und ich uns einig, dass wir hier weg müssen. Wir verlassen unser Versteck, um uns in aller Eile eine neue Deckung zu suchen.


Dienstag, 29. April 2014

Meresh'ti cau'pla Sey'syuyä / Sey'syus Ikranfänger [Teil 1]

Pxoel fwew pxiutit fte txivula meresh'ti cau'plati Sey'syuä - Hapxì a'awve
(Wir drei suchen die Rasiermesserpalme, um Sey'syus Ikranfänger herzustellen - Teil 1)

Sey'syu sitzt neben mir am Feuer, als ich nach einem schlimmen Traum erwache. Es war einer jener Träume, die ich vermutlich in nächster Zeit noch oft haben werde. Sa'nu (Mama) hatte mir davon erzählt, dass es ihr einst ebenso ging, nachdem ich ihren Clan verlassen hatte. Nun kann ich noch besser nachempfinden, was sie fühlte. Seit May fort ist, fühle ich mich leer, nutzlos und oftmals tröste ich mich darüber hinweg, indem ich mich mit irgendetwas beschäftige, um mich von diesen Gedanken abzulenken. Daher kommt mir heute der Vorschlag meiner yawntu (Liebsten) mehr als gelegen, als sie Ne'wey ihren meresh'ti cau'pla (Ikranfänger) zurückgibt, um sie dann darum zu bitten, sich einen eigenen machen zu können.


Montag, 28. April 2014

Tsaro sì oe / Tsaro und ich

Srake 'awpo fu mefo?
(Einer oder zwei?)

Es war noch Zeit, bevor ich zum Lager zurückkehren wollte. Glücklicherweise hatte ich die Flöte mit genommen und wollte nun die Gelegenheit nutzen, ein wenig zu probieren. Sehen was ich noch konnte und was ich verlernt hatte. Als ich die Stimmenbäume erreichte, hockte ich mich dicht ans Ufer und begann ein wenig zu übern. Natürlich in der Hoffnung, dass keiner meine, nach ewiger Zeit, ersten kläglichen Spielversuche hören könnte. Und nach und nach erinnerte ich mich und mein Spiel wurde immer besser. 

Maytame

Tsalsungay oo ke tätxaw.
(Sie kehrt jedoch nicht zurück.)

Ich entschloss mich, für den heutigen Tag mit dem Boot hinaus aufs Meer zu fahren. Der Tag der Rückkehr von Kxirya, Seysyu und meiner taronyu ahì'i (kleinen Jägerin) Maytame stand bevor. 

Txe'lan asngum / Das besorgte Herz

Kameie ngati ma tsmukan alu Tsaro.
(Ich sehe Dich, Bruder namens Tsaro.)



Eywa sei Dank, habe ich nun die Vergiftung überstanden. Die Heilpflanze macht das Gift im Körper unschädlich und der heilsame Schlaf, über mehrere Tage, tat sein übriges. Tsaro schien nicht im Lager zu sein. Aber ich fand frische Früchte und einen Krug frischen Wassers mit Becher neben der Blume stehen, die mir Seysyu schenkte als ich krank wurde. Tsaro ist mehr als nur aufmerksam. Da ist er wieder der Gedanke an Tsaro. 

Säspxin ahek / Merkwürdige Krankheit

Frakrr 'efu ngeyn nìtxan oe.
(Ich bin ständig sehr müde.)

Die merkwürdige Krankheit breitete sich schnell in mir aus. Mich überfiel immer wieder eine unbändige Müdigkeit, die aber keinen erholsamen Schlaf brachte. Muskeln und Glieder schmerzten täglich mehr. Nicht einmal das wirklich lecker bereitete Essen von Tsaro konnte mich begeistern. Hunger war das letzte, was ich verspürte. Zuerst fanden wir einfach keine Erklärung für meinen Zustand, der sich täglich verschlechterte. Kein Insektenstich war zu finden. Kxirya entschloss sich zu prüfen, ob ich eine Vergiftung haben könnte. Als Heilerin wusste sie, wie sie dies tun kann. Ein wenig meines Blutes träufelte sie auf einen kleinen Pilz der sich prompt verfärbte. Also vergiftet. In einer erneut schlaflosen Nacht schoß mir ein Gedanke durch den Kopf. Könnte es sein...?

Sonntag, 27. April 2014

Sa'nu / Mutter

'eylan oeyä 'ì'awn - 'ite oeyä hum. Kempe layen?
(Meine Freundin bleibt - Meine Tochter geht. Was wird geschehen?)

An jedem Tag, der seit der Rückkehr vom Clan meiner sa'nu (Mutti) vergeht, spüre ich, wie es mein Herz mehr und mehr zerreißen will. Auch wenn ich weiß, dass sa'nu (Mama) und ihr Clan gut auf Maytame aufpassen werden, dass sie dort Spielkameraden und neue Freunde gefunden hat und dass sie dort vieles lernen wird, fehlt sie mir mehr und mehr. Ich fühlte mich stark genug, sie dort zurück zu lassen, fühle aber nun, wie schwach ich doch bin. Doch eines nach dem Anderen...

Samstag, 26. April 2014

Oe tarontu lu / Ich bin die gejagte

Ikranil lefnagp sì palulukanil taron oet.  Hivifwängo zene oe...
(Ein Metallikran und ein Palulukan verfolgen mich. Ich muss leider fliehen...)

Noch immer hallen Korlans Worte in mir nach, als ich eben aufwache: "Syamaw fo tstxor ngeyä, ma Kxìrya..." ("Sie nannten Deinen Namen, Kxìrya...")  Ne'wey liegt, immer noch in tiefen Schlaf versunken, neben mir auf ihrem Lager, doch bin ich zuversichtlich, dass sie bald wieder ganz gesund werden wird. Eine Zeit lang sitze ich noch neben ihr, beobachte sie, doch ich kann nichts weiter tun, als abzuwarten. Daher mache ich mich irgendwann auf den Weg. Wieder zieht es mich zum vitra utral (Baum der Seelen) und wieder einmal will ich versuchen, dort etwas bestimmtes oder jemand bestimmtes zu hören: Sempul (Vater)...

Donnerstag, 10. April 2014

Ayaungia amip Eywata / Neue Zeichen von Eywa

Lam fwa layu oe tsahìk ahay Rey'engyayä. Mll'an oel tìftxeyt Eywayä ulte nayume. 
(Es scheint, dass ich die nächste Tsahìk der Rey'engya werde. Ich werde Eywas Wahl akzeptieren und werde lernen.)

Kaum wache ich soeben auf, ist sie mein erster Gedanke. Ne'wey. Ich eile zu ihr in unsere Höhle, schleiche mich zu ihrem Cocoon und stelle dann beruhigt fest, dass sie noch schläft. Eigentlich habe ich auch nichts anderes erwartet, denn nach dem Tee, den ich ihr gestern am Feuer verabreicht habe, weiß ich, dass sie einige Tage lang sehr tief schlafen muss. Doch ist es eine innere Unruhe, die mich nach ihr schauen lässt. Ich bin für sie, oder besser ihre Gesundheit, verantwortlich. Als ich so neben ihr stehe und darüber nachdenke, was für eine seltsame Krankheit diese starke Müdigkeit in ihr hervorgerufen haben könnte, kommt mir eine Idee. Es ist nur ein vager Gedanke, aber ich suche dennoch ihren ganzen Körper selbst nach kleinsten Insektenstichen ab.

Mittwoch, 9. April 2014

Ne'wey 'efu spxin / Ne'wey fühlt sich krank.

Po frakrr 'efu ngeyn nìtxan sì meyp. Ke omum nìno, pesäspxin latzu?
(Sie fühlt sich immer sehr müde und schwach. ?  Ich weiß nicht genau, welche Krankheit es sein könnte.)

Es lässt mich nicht richtig ruhen, dass Ne'wey offenbar etwas krank geworden ist, denn ich erwache bereits lange vor allen anderen. Mit meinem Bogen bewaffnet mache ich mich auf den Weg, um zu zu beobachten, wie der neue Tag anbrechen wird. Ich klettere auf einen hohen Baum und schwinge mich mittels einiger Lianen ein Stück weit bis ich zu einer der Hängebrücken komme, die vor sehr langer Zeit irgendjemand hier in unserem Wald aufgehängt haben muss. Es ist noch recht still. Nur vereinzelt höre ich hier und dort, ein Tier erwachen oder über mich hinweg ziehen. Unser Land ist wieder wo unglaublich lebendig geworden, dass es mich jedes Mal mit Freude erfüllt, wenn ich hier her kommen kann, um das alles beobachten zu können.

Sä'eoio angäzìk / Ein schwieriges Ritual

Sey'syul fwew zeya tsengit na'rìngmì fwa kem si sä'eoio peyä.
(Sey'syu sucht einen besonderen Ort im Wald, um ihr Ritual abzuhalten.)

Irgendwie fühle ich mich heute Morgen wie jemand, der weiß, dass er ein stxeli (Geschenk) bekommt, der aber nicht weiß, wann er es bekommt und was es sein wird. Ein Kribbeln geht mir durch den Magen. Zusammen mit Sey'syu werden wir heute ihr erstes Ritual abhalten, das für sie ganz alleine ist. Um Eywa, unsere große Mutter zu Ehren und ihr zu danken, werden wir das Herz des von Sey'syu erlegtem Yerik (hirschähnliches Tier) an einem Ort vergraben, den sie, die erfolgreiche Jägerin,  ganz alleine auswählen wird. Da ich schon gestern alles vorbereitet hatte, um dem Tier das Herz entnehmen zu können, warte ich nun auf meine yawntu (Liebste). Sie schläft noch, stelle ich etwas belustigt fest. Offensichtlich hatte die gestrige Jagd ihr doch sehr viel abverlangt.

Mittwoch, 2. April 2014

'efu oe nìtram nìtxan / Ich bin sehr glücklich

'ivong atxkxe ayoer sì fratsengit tok sìreyli amip.
(Unser Land erblüht und überalle ist neues Leben.)

Schon die Geräusche, als ich eben neben Sey'syu aufwache, lassen mich erfreut aufhorchen. Ayayo (Vögel), aysyaksyuk (Affen), der entfernte, tief grollende Ruf eines talioang (Sturmbeest)  und eine Vielzahl anderer Geräusche dringen zu meinen Ohren. Ich lege meinen Kopf auf Sey'syus Brust und lausche einen Moment lang dem Takt ihres gleichmäßig schlagenden Herzens. Ich bin glücklich über all diese Dinge, die hier in unserem Land und unserem Clan gerade geschehen.

Tìtaron Sey'syuyä / Sey'syus Jagd

Numeyu ayoeyä alu Sey'syu kä na'ringnemfa fte tivaron pxoehu 'awsiteng ulte flä.
(Sey'syu, unsere Schülerin, geht mit uns zum jagen in den Wald und ist erfolgreich.)

Wieder bricht ein neuer Tag heran. Ein Tag, an dem ich sehr ausgeruht und auch gut gelaunt erwache. Auch wenn mir die Erlebnisse am vitra utral (Baum der Seelen) nicht aus dem Kopf gehen, werde ich heute, so ist zumindest mein Plan, gemeinsam mit Sey'syu den Tag verbringen. Daher suche ich mir zunächst ein Versteck in der Nähe des Sees. Oberhalb des Wasserfalls werde ich fündig. Die Geräusche des Wasserfalls erlauben es mir sogar, dass ich nicht auf jede kleine Bewegung achten muss, da er meine Geräusche mit Leichtigkeit übertönt. Von hier oben aus kann ich beinahe das ganze Land um den See herum beobachten, ohne dabei selber gesehen zu werden. In der Hoffnung, dass Sey'syu zum See hinunter kommen wird, warte ich hier auf sie, um mir einen kleinen Spaß mit ihr zu erlauben.

Montag, 31. März 2014

Oe kä Eywane / Ich gehe zu Eywa

Yune oel aymorkit ta sa'nok anawm fwa tsun ralpiceng ayaungiat kxawm.
(Ich lausche den Stimmen der großen Mutter, um viellicht die Zeichen deuten zu können.)

Es lässt mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder denke ich über diese neuen sawtute (Himmelsmenschen), den Clan und das nach, was noch alles vor uns liegen mag. Es ist tiefe Nacht. In unserer Höhle ist es still und nur das Atmen der Schlafenden um mich herum ist zu hören. Das Jammern und Heulen einiger Nantangs (Natterwölfe) dringt von weit draußen aus dem Wald zu uns herein. Sie sind auf der Jagd. Maytame scheint ein wenig unruhig zu sein, denn ich höre ganz leise ein Knurren von ihr. So befreie ich mich sehr vorsichtig, um sie nicht zu wecken, aus Sey'syus liebevoller Umarmung, um dann zu unserer Feuerstelle zu schleichen. Ich werde zum vitra utral (Baum der Seelen) gehen, doch zuvor lege ich noch etwas Holz auf das Feuer, nehme dann meinen Bogen und den Köcher. Dann marschiere ich los, werfe aber, als ich unter unserem Torbogen stehe, nochmal einen Blick zurück ins Lager.

Donnerstag, 27. März 2014

Srake eylan fu kutu / Freunde oder Feinde?

Pxaya u längamen ulte pxaya u längayen.
(Viele Dinge sind leider geschehen und werden auch leider noch geschehen...)

In unserem Land geht etwas vor sich. Nicht nur ich spüre das, auch Sey, Tsaro, Ne'wey, Sey'syu und die anderen bemerken die Veränderungen. Sogar Maytame fallen Dinge auf, nach denen sie mich hin und wieder fragt. Hatten Txällän (Dallan) und Neo, worüber wir alle uns natürlich sehr freuen und den beiden gegenüber dies auch mehrmals schon zum Ausdruck gebracht haben, dafür gesorgt, dass diese metallenen Röhren nun endlich verschwunden sind, tauchen nun mehr und mehr neue Probleme auf. Der Clan, so kommt es mir manchmal vor, ist trotz seiner Verbundenheit oft zerteilt...

Montag, 24. März 2014

Trr alahe / Ein anderer Tag

Sìpängkxo a'a'aw olo'hu.
(Gespräche mit dem Clan.)

Aus einem traumlosen Schlaf erwacht, dachte ich an die vergangenen Vorkommnisse am Sawtutelager (Menschenlager). Mein Ärger war nicht verflogen. Ich hatte das Gefühl, diesem Luft machen zu müssen. Am Ufer, wo mein Boot noch immer lag, sollte ich die Gelegenheit dazu bekommen.

Sey und Tsaro berieten darüber, wie man Neo für seine Hilfe danken könnte. Mir brannten allerdings meine Vorwürfe und Fragen auf den Lippen. Alles sprudelte hervor. Wie schäbig sich Txällän verhalten hat. Wie wenig Überzeugend Sey aus meiner Sicht handelte. Natürlich tat es mir sofort leid, Sey so respektlos mit den Vorwürfen lauthals überhäuft zu haben. Auch dies gab ich meinem Olo’Eyktan (Clanführer) zu verstehen. Und Sey wäre nicht unser Eyktan (Clanführer), wenn er nicht auch für diese Situation die richtigen Wege und Worte gefunden hätte. Und das letzte Wort zu Txälläns Verhalten und zu diesem fremden ketuwong (Alien) sei noch nicht gesprochen ...


Ultxa hek / Merkwürdige Begegnung

Tawtute amip. Por fko syaw Tspìkì.
(Der neue Mensch.  Man nennt ihn Spike.)

Woher aber kam dieser Tawtute (Himmelsmensch) plötzlich?   Verstand ich richtig? Die Maguyuk brachten ihn mit?  Hat er meinen Clan schon lange beobachtet?  Wieso hat dies keiner bemerkt?  Was ging hier vor im Tal seit ich weg war? 
Ich legte meinen Bogen an. Eine Bewegung von diesem da…!  Dieser Fremde war voll bewaffnet. Redete mit Txällän. Kxirya, Tsaro, wir alle waren bereit den Tawtute auszuschalten. Doch Txällän reagierte überhaupt nicht auf unsere Anweisungen. 

Sìlen sì yayayr / Ereignisse und Verwirrung

Sìkangkem lehrrap.
(Gefährliche Arbeiten.)

Lange war ich fort und nun bin ich zurück. Zu Hause. Nicht weiser vielleicht, aber doch ein Stück gewachsen.
Ich war sehr aufgeregt, erkannte ich doch endlich die Küstenlinie unseres Tals. Da war die Bucht wo der Fluss zum kleinen See führen würde und lenkte das Boot genau dort hin. Ich rief nach Tutean, meinem Ikran. Er war ganz in der Nähe und paddelte dann den Fluss hinauf. Es war ungewöhnlich still im Wald. Griffbereit lag mein Bogen auf dem Boden des Bootes. 

Sonntag, 23. März 2014

Meine Reise / Tìsop oeyä


Sop oe kelutralne olo'ö oeyä
(Ich reise zum Kelutral meines Clans.)
Der Aufbruch fiel mir nicht leicht, doch vorgezeichnet durch Eywa, musste ich diesen Weg nehmen. Gehe die 'alten' Pfade mit 'neuen' Füßen war ihre Botschaft. Meine erste Station war das Tal der Tipani. Unausweichlich. Ich musste Antan’rey begegnen. Eine Begegnung der Erkenntnis. Wir sprachen und seine Worte waren klar wie das Wasser der Quellen in den Bergen meiner alten Heimat. Und doch warm und vertraut. Gefasst, wie immer. Und ich? Ich stand da, vor ihm, wie ein Kind. Tief Violett bis in die Zehenspitzen, hilflos stammelnd. Wie früher als er mein Lehrer war und ich ihn als Mann erkannte. Mein Weg würde ein anderer sein als der seine, auch wenn unsere Herzen noch immer den gleichen Takt schlugen. Ich begriff, ein Olo‘Eyktan (Clanführer) nicht nur der Weisheit, sondern ein Olo’Eyktan (Clanführer) der Selbstlosigkeit und Wahrhaftigkeit. Er ließ mich gehen und er tat es für mich. Und wenn dies ist, was Liebe heißt, ist es noch viel größer als das, was ich ahne, das es gibt zwischen Mann und Frau. Etwas von mir ließ ich los und es blieb bei den Tipani, bei Atan’rey. Ich fühlte den Wald und den Wind anders auf einmal. Ich war tief betrübt und fühlte mich doch seltsam leicht und befreit.

Donnerstag, 20. März 2014

Sempul tamerkup / Vater ist gestorben

Stamawm oel mokrit sneyä a way sami tìrol.
(Ich hörte seine Stimme, die ein Lied sang)

Bereits als ich erwache spüre ich dieses Gefühl des Verbundenseins, der Geborgenheit und der Wärme in mir. Erst, als ich meine Augen aufschlage, wird mir bewusst, dass ich die ganze Nacht über hier an diesem utralä aymokri (Stimmenbaum) gesessen habe und dass ich auch, während ich schlief, mit diesem verbunden war und dies immer noch bin. Es ist ein so wunderschönes Gefühl. In diesem Moment weiß ich, dass ich dies einmal wiederholen werde. Sey ist offensichtlich bereits vor mir aufgewacht, denn er ist nicht mehr hier. Daher genieße ich diesen Moment, trenne meine Verbindung noch nicht von dem Baum und lausche den immer noch andauernden, zwar gedämpften, aber dennoch deshalb nicht weniger interessanten und weichen Geräuschen und Stimmen, die ich durch meinen Zopf empfange.

Dienstag, 18. März 2014

Stxonga ayaungia / Merkwürdige Zeichen

Tse'a oel atanit astxong vitra utralro.
Tsatsun srung sivi Sey oer fwa kame tsat srak?
(Ich sehe ein merkwürdiges Licht am Baum der Seelen. Wird Sey mir vielleicht helfen können, es zu verstehen?)

Ein Traum lässt mich erwachen. Es ist ein sehr beängstigender Traum, der in mir Verwirrung und Besorgnis auslöst, denn ich sehe dieses Rudel Nantangs (Natterwölfe) und wie es nach Beute suchend und witternd in unserem Lager herum schleicht. Neos Berichte und Tsaros Wunden haben mich offenbar doch tiefer getroffen, als ich es selber eingeschätzt hätte. Ob sie alle sehr krank sind?  Was, wenn sie wirklich bis hierher kommen?  Was wenn sie uns in der Nacht überraschen und angreifen?  "Maytame!" hallt, der Klang meiner Stimme an den Wänden unserer Höhle wieder.  Sie wäre ihnen hilflos ausgeliefert und selbst, wenn wir alle sofort aufwachen würden, würde sie sehr wahrscheinlich schwere Verletzungen davon tragen. Wir aber müssten diese Tiere töten oder zumindest verwunden, um sie in die Flucht zu schlagen...

Montag, 17. März 2014

Neo sì Txällän / Neo und Dallan

Pay lehrrap nìtxan!
(Sehr gefährliches Wasser!)

Hatte Tsaro uns erst kürzlich und zu unserem Schrecken  davon berrichtet, dass das Wasser der Flüsse und des Sees nicht trinkbar ist, bestätigte dieser Forscher namens Neo dies uns noch einmal in aller Deutlichkeit. Er kam zu uns, um unser Wasser zu testen und seine Worte waren alles andere als ermutigend, auch wenn er mit den Worten schloss: "Ma frapo, pay ta 'awm ayngyä ke lehrrap lu." ("Das Wasser aus Eurem Lager ist ungefährlich.")  Er berichtete uns sehr ausführlich darüber, dass, offenbar ausgelöst durch diese metallenen Röhren, das Wasser der Flüsse und unseres Sees verseucht. Weiter führte er aus, dass die Quellen, die unsere Wasserfälle versorgen, nicht davon betroffen sind. Nun ist wieder  Unruhe in unserem Clan und auch bei den Maguyuk dreht sich alles um das Thema Wasser.

Mittwoch, 12. März 2014

Ioi amip Maytameyä / Maytames neuer Schmuck

Hì'ia iìsop ne Iknimaya.
(Eine kleine Reise zu den Iknimayabergen.)

Während die eine Sonne schräg vor mir in den weiten Ozean zu stürzen Scheint und glitzernde Wellen ihr orange gelbes Licht wiederspiegeln, geht hinter mir am Horizont die zweite langsam auf. Glutrote Lichtstrahlen fallen durch die Wipfel der Bäume auf unser Land, als ich heute lautlos die Höhle verlasse. Es ist noch sehr früh und alle schlafen noch, als ich mich zum See hinunter schleiche, um nach Ya'rrì (Kxìryas Ikran) zu rufen. Eine Idee und ein Versprechen treiben mich voran. Ich hatte Maytame zugesichert, dass ich versuchen werde, ihr einige der ganz seltenen violett und rot gemusterten Federn zu besorgen, die ich für meinen feierlichen Armschmuck benutzt hatte.

Sonntag, 9. März 2014

Hey amip / Neue Gesichter

Mipa sìn taluna olo' ayoeyä tsawl slu.
(Neue Aufgaben, denn unser Clan wächst.)

An manchem der vergangenen Tage wache ich morgens auf und fühle mich leer und irgendwie abgespannt und beinahe jeden Tag wird mir auch bewusster, weshalb dies so ist. So auch gerade wieder. Es ist noch dunkel und die entfernten Stimmen der Nachttiere werden durch den langsam anbrechenden Tag durch die Stimmen der tagaktiven Tiere abgelöst. Ich höre Maytame auf dem Platz neben mir leise schnurren. Sie scheint etwas zu träumen. Das noch schwach in unsere Höhle einfallende Licht lässt nur wenige Einzelheiten erkennen, aber ich höre einige von uns deutlich atmen. Ein Gedanke an diesen tawtute (Himmelsmenschen), den Tsaro zu uns brachte und der sich Neo nennt, kommt mir in den Sinn. Wird er uns helfen können, diese metallenen Gebilde, die aus dem Feuerberg heraus ragen und weit über dem Meer im Himmel verschwinden zu scheinen, zu beseitigen?

Txällän und er haben sich beraten, da sie die Technik der Menschen am besten verstehen. Ich glaube nicht nur ich bin froh darüber, dass die beiden sich nicht gleich bei ihrer ersten Begegnung bekämpft haben. Neo scheint ein sehr großes Interesse an unserem Volk zu haben, doch obwohl er uns sehr respektvoll und freundlich gegenüber tritt, bin ich immer noch etwas skeptisch. Ob sich dies in Zukunft verändern wird, kann ich noch nicht vorhersagen. Auf alle Fälle scheinen ihm alle dankbar dafür zu sein, dass er die Reise über das Meer auf sich nimmt, um zu sehen, wohin diese, wie er es nennt, Versorgungsleitung, führt und was es damit auf sich hat, dass sie in den Feuerberg und die Menschensiedlung hinein führt.

Dienstag, 11. Februar 2014

Iknimaya Ali'yarayä / Ali'yaras Imnimaya

Numeyu oeyä ayoehu kä Iknimayane fte tsun fmivi emsiva'u tìfmetokit saronyuä.
(Meine Schülerin geht mit uns zu den Iknimayafelsen, um zu versuchen, die Prüfung der Jäger zu bestehen.)

Maytame läuft bereits aufgeregt herum, als ich eben meine Augen aufschlage. Sie kann es kaum noch abwarten. Ich kann sie gut verstehen, denn es ist für sie das erste mal, dass sie an einer solchen Sache bewusst teilnehmen kann. Früher war sie zu klein, doch nun...?  Ich bin stolz auf meine kleine Jägerin und wünsche mir oft, Wina könnte noch einmal bei uns sein, um sie erleben zu können. Aber ich weiß, er schaut und hört uns immer zu...

Dienstag, 28. Januar 2014

Sey'syu sì oe / Sey'syu und ich

Sìlen teri Olo'ru ayoeyä sì Eywar.
(Ereignisse rund um unseren Clan und Eywa.)

Die sanfte Berührung auf meinem Rücken, die mich eben aus meinem Traum holt, erinnert mich sofort an Winataron. Oft wünsche ich mir, er würde dies noch einmal tun können. In solchen Momenten möchte ich ihn fest an mich drücken, ihn küssen und ihm sagen, dass ich ihn liebe. Doch es sind Sey'syus gelb glänzende Augen, die mich anschauen und es ist ihre Stimme, die, während ihre Hand mich streichelt, mit sanftem Ton zu mir spricht: "Rewon lefpom, may yawntu." ("Guten Morgen, Liebste."). Sie scheint mir anzusehen, dass ich gerade an ihn denke und sie versteht mich. Auch wenn ich mich allmählich von ihm gelöst habe, ist er dennoch immer noch tief in meinem Herzen. Ich erwidere den Gruß, richte mich auf unserem Lager auf und erzähle Sey'syu dann von meinem Traum. Maytame, Sey, Ne'wey und einige andere schlafen noch fest auf ihren Hängematten, so unterhalten wir uns zunächst sehr leise, beschließen dann aber zum See hinunter zu gehen.

Mittwoch, 15. Januar 2014

Tìreayä hapxì amip / Ein neuer Lebensabschnitt

Srake sawtutel  ayoeyä kifkeyt skaya'a  nìmun?
(Werden die Himmelsmenschen unsere Welt wieder zerstören?)


Ich bin sehr froh, dass Tsaro nach seiner langen und nicht ungefährlichen Reise wieder zu uns zurückgekehrt ist. Immerhin eine gute Neuigkeit, denn in letzter Zeit häufen sich die schlechten Ereignisse spürbar und es führte sogar zu Streitigkeiten innerhalb des Clans, was mich sehr traurig macht. Mitten im Wald, in der Nähe der Maneschbasis entdeckten wir kürzlich ein metallenes Ding, dass aus dem Feuerberg heraus bis ins Meer führt. Es scheint, als würde durch diesen Metalltunnel, dessen Abzweigung bis hin zum Menschenlager führt, eine grünliche und ätzende Flüssigkeit bis ins Meer hinein geleitet. Ne'wey, die prüfen wollte, um was es sich dabei handelt, erkannte die Gefahr leider erst viel zu spät. Erst, als sich die Haut ihres Fingers, auf den sie einen Tropfen davon genommen hatte, unter großen Schmerzen begann abzulösen, bemerkte sie es. Ich musste mir wirklich sehr schnell  etwas einfallen lassen, um ihr gegen die Schmerzen helfen zu können. Inzwischen ist die Wunde aber wieder verheilt.